Was bedeutet gesetzliche Erbfolge im türkischen Erbrecht?
Wenn eine Person in der Türkei stirbt, ohne ein Testament oder Erbvertrag hinterlassen zu haben, tritt automatisch die gesetzliche Erbfolge (yasal mirasçılık) in Kraft. Diese ist im türkischen Zivilgesetzbuch (Medeni Kanun, Art. 495–501) geregelt. Dabei bestimmt das Gesetz selbst, wer Erbe wird und in welcher Reihenfolge und Quote das Vermögen (die „Tereke“) unter den Erben aufgeteilt wird.
Im türkischen Recht wird grundsätzlich zwischen zwei Arten von Erben unterschieden:
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Gesetzliche Erben (yasal mirasçılar)
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Eingesetzte Erben (atanmış mirasçılar)
Ein eingesetzter Erbe ist eine Person, die durch Testament oder Erbvertrag bestimmt wurde. Fehlt eine solche Verfügung, greift die gesetzliche Regelung.
Wer sind die gesetzlichen Erben?
Das Gesetz teilt die Angehörigen des Verstorbenen in drei Ordnungen (Zümre) ein. Die Zugehörigkeit zu einer Ordnung bestimmt, ob und in welchem Umfang jemand erbt. Das Prinzip ist: Eine niedrigere Ordnung schließt die höhere vollständig aus.
1. Ordnung – Nachkommen (Kinder, Enkel, Urenkel)
An erster Stelle erben die ehelichen oder anerkannten Kinder des Verstorbenen. Diese teilen sich den Nachlass zu gleichen Teilen.
Ist ein Kind vor dem Erblasser gestorben, treten dessen eigene Kinder (also die Enkelkinder des Verstorbenen) im Wege der Erbfolge durch Eintritt an dessen Stelle.
Beispiel: Ist ein Sohn des Erblassers bereits vorverstorben, erben stattdessen seine Kinder.
2. Ordnung – Eltern und Geschwister
Gibt es keine Nachkommen, erben die Eltern des Erblassers. Sie erhalten je die Hälfte des Nachlasses.
Sind die Eltern ebenfalls verstorben, treten ihre Nachkommen – also die Geschwister des Verstorbenen – an ihre Stelle.
3. Ordnung – Großeltern und deren Nachkommen
Fehlen auch Eltern und Geschwister, kommen die Großeltern des Erblassers zum Zug. Leben sie nicht mehr, erben ihre Kinder – also Onkel und Tanten des Verstorbenen.
Cousins und Cousinen sind nicht erbberechtigt, wenn der Ehegatte des Erblassers noch lebt.
Der Ehegatte als gesetzlicher Erbe
Der überlebende Ehegatte hat immer einen gesetzlichen Erbteil, zusätzlich zu den Angehörigen der jeweiligen Ordnung:
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Neben Kindern (1. Ordnung): ¼ Anteil
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Neben Eltern (2. Ordnung): ½ Anteil
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Neben Großeltern (3. Ordnung): ¾ Anteil
Gibt es keine weiteren gesetzlichen Erben, erbt der Ehegatte allein.
Besondere Fälle der gesetzlichen Erbfolge
Uneheliche Kinder
Kinder, die außerhalb der Ehe geboren wurden, sind gleichgestellt, sofern die Vaterschaft gerichtlich festgestellt oder anerkannt wurde (Art. 498 ZGB).
Adoptivkinder und deren Nachkommen
Adoptivkinder sind den leiblichen Kindern gleichgestellt. Sie können sowohl von den Adoptiveltern als auch von ihrer leiblichen Familie erben (Art. 500 ZGB).
Wichtig:
Adoptivkinder erben nicht von den Verwandten der Adoptiveltern. Außerdem ist die Erbfolge nur einseitig: Das Adoptivkind erbt vom Adoptivelternteil, aber nicht umgekehrt.
Fazit
Die gesetzliche Erbfolge im türkischen Recht folgt einem klar strukturierten Ordnungssystem. Dennoch können im Einzelfall komplexe Fragen entstehen – etwa bei internationalen Erbfällen, Patchwork-Familien oder unehelichen Kindern.
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