Die Ehe kann im türkischen Recht nur durch gerichtliches Urteil und bei Vorliegen bestimmter Scheidungsgründe aufgelöst werden. Zuständig ist das Familiengericht, das spezielle Verfahrensregeln anwendet, die sich von anderen Zivilprozessen unterscheiden.
Scheidungsfolgen im Überblick
Mit der Einleitung eines Scheidungsverfahrens müssen auch wichtige Folgefragen rechtlich geklärt werden, darunter:
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Unterhaltsansprüche (Trennungs- und Ehegattenunterhalt),
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Schadensersatz (materiell und immateriell),
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Aufteilung des Hausrats,
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Versorgung der Kinder (Sorgerecht, Umgangsrecht).
Wichtig: Der Tag der Klageeinreichung gilt im türkischen Recht als Stichtag für die güterrechtliche Auseinandersetzung. Das bedeutet, ab diesem Datum erworbene Vermögenswerte fallen nicht mehr in die spätere Vermögensaufteilung.
Welche Scheidungsgründe gibt es?
Das türkische Zivilgesetzbuch (Medeni Kanun, Art. 161–166) unterscheidet zwischen zwei Formen der Scheidung:
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Einvernehmliche Scheidung (Anlaşmalı boşanma)
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Streitige Scheidung (Çekişmeli boşanma)
1. Einvernehmliche Scheidung (§ 166 Abs. 3 TMK)
Die einvernehmliche Scheidung ist die schnellste und unkomplizierteste Variante. Voraussetzungen:
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Die Ehe muss mindestens ein Jahr bestanden haben.
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Beide Ehepartner müssen sich über alle Scheidungsfolgen einig sein (z. B. Unterhalt, Sorgerecht, Hausrat).
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Die Parteien müssen gemeinsam einen Antrag stellen oder ein Partner muss der Klage des anderen vollständig zustimmen.
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Der Richter muss die Ehepartner persönlich anhören und sicherstellen, dass die Vereinbarung freiwillig und im Interesse der Kinder erfolgt ist.
Der Richter kann Änderungen an der Vereinbarung vornehmen – nur wenn beide Parteien diesen Änderungen zustimmen, wird die Scheidung ausgesprochen.
2. Streitige Scheidung
Bei Uneinigkeit über die Scheidung oder deren Folgen kommt es zu einem streitigen Verfahren. Streitige Scheidungen stützen sich auf:
a. Allgemeine Scheidungsgründe (§ 166 Abs. 1 TMK)
Die Ehe ist unheilbar zerrüttet – eine Fortsetzung ist den Parteien nicht zumutbar.
Typische Beispiele:
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andauernder Streit,
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psychische oder physische Gewalt,
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Untreue,
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Missachtung ehelicher Pflichten,
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Vertrauensbruch.
Die Gründe sind nicht abschließend geregelt – entscheidend ist die Zerrüttung der Ehe.
b. Besondere Scheidungsgründe (§§ 161–165 TMK)
Diese sind im Gesetz abschließend aufgezählt. Wer sich darauf beruft, muss nur den Tatbestand nachweisen, nicht die Schuld des anderen:
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Ehebruch (Zina) – Art. 161
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Mordversuch, schwere Misshandlung oder Ehrverletzung – Art. 162
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Straftat oder ehrloser Lebenswandel – Art. 163
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Verlassen der Ehewohnung (Terk) – Art. 164
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Unheilbare Geisteskrankheit – Art. 165
Der große Vorteil: Es genügt der Nachweis, dass einer dieser Gründe vorliegt – die Frage, wer „schuld“ ist, steht nicht im Vordergrund.
Einvernehmliche Scheidung – Schritt für Schritt
Voraussetzungen für die Zulässigkeit:
a) Ehedauer von mindestens 1 Jahr
Nur bei formell verheirateten Paaren. Religiöse Eheschließungen oder langes Zusammenleben zählen nicht.
b) Gemeinsamer Antrag oder Zustimmung zur Klage
Einvernehmliche Scheidung ist auch möglich, wenn eine Partei klagt und die andere Partei der Klage vollständig zustimmt.
c) Persönliche Anhörung durch den Richter
Der Richter muss sich überzeugen, dass die Erklärung freiwillig und unbeeinflusst abgegeben wurde. Anwälte allein können die Parteien nicht vertreten – es ist ein höchstpersönliches Recht.
d) Vereinbarung über Scheidungsfolgen
Die Parteien müssen sich über alle Punkte geeinigt haben, etwa:
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Unterhalt (Kindesunterhalt, Trennungsunterhalt),
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Aufteilung des Vermögens und der Haushaltsgegenstände,
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Sorgerecht und Umgangsrecht für die Kinder,
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eventuelle Entschädigungen (z. B. Schmerzensgeld).
Der Richter prüft, ob die Vereinbarung fair und kindgerecht ist. Nur dann wird die Scheidung ausgesprochen.
Fazit: Professionelle Unterstützung ist entscheidend
Ob einvernehmlich oder streitig – eine Scheidung in der Türkei hat viele rechtliche und emotionale Aspekte. Besonders bei grenzüberschreitenden Fällen zwischen Deutschland und der Türkei (z. B. bei binationalen Ehen oder Auslandsvermögen) ist juristische Begleitung unverzichtbar.
Sie haben Fragen zur Scheidung im türkischen Recht?
Als deutschsprachige Anwältin für türkisches Familienrecht berate ich Sie kompetent, diskret und individuell.
